Kaum habe ich Teil 2 zum Thema Instant Messenger veröffentlicht, sind auch schon wieder anderthalb Jahre vorbei. Und inzwischen lohnt sich für Dich lieber Besucher, vielleicht auch nochmal ein Blick auf den 1. Teil zu diesem Thema aus dem März 2019(!).
Seit dem ist vieles passiert.
Das leidige Thema „Telegram“ und dessen massenhafte Nutzung (oder Mißbrauch?) durch üble Zeitgenossen habe ich ja schon angesprochen, aber seitdem ist das alles noch viel brisanter geworden. Der Betreiber entzieht sich jeglicher gesetzlicher Kontrolle und reagiert kaum bis gar nicht auf Anfragen.
Allerdings kann man das eben auch ganz anders sehen, Telegram ist letztlich auch sowas wie ein letztes Stück Freiheit auch und gerade für weniger IT affine Menschen, auch wenn uns nicht passt von wem und wofür diese Freiheit missbraucht wird. Aber war es nicht mal die Idealvorstellung eines freien Internets, das jeder es nutzen und sich über Restriktionen hinweg setzen kann? Natürlich ist diese Freiheit dann eben auch für die Leute da, die sich nicht an Gesetze und Regeln halten. Das mag uns nicht gefallen und Staat/Justiz/Politik dürfen dem nicht tatenlos zusehen, aber letztlich müssen wir damit leben, wenn wir diese Rechte, die Freiheiten auch für uns beanspruchen. Zumindest ist es der falsche Weg den Diensteanbieter zu reglementieren und zu verfolgen.
Wenn Menschen über dieses Medium Hass verbreiten, zu Gewalt und Straftaten aufrufen, selbst begehen oder andere Menschen beleidigen, verleumden und bedrohen, so sollte es doch die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden sein, diese Menschen zu ermitteln und der Justiz zu übergeben und nicht die übertragene Plattform als Hilfs-Sheriff einzuspannen. Da fällt mir der alte Satz ein, „Wenn der Bauer nicht schwimmen kann ist die Badehose schuld“.
Oder wird ein Telekomanbieter dafür abgestraft, weil über seine Leitungen auch Straftaten verabredet werden? Genauso gibt es Raser auf unseren Straßen, die Menschenleben gefährden, leichtfertig, fahrlässig oder gar in voller Absicht also letztlich mit Vorsatz, trotzdem, sperren wir die Straßen nicht oder drosseln gleich die Motoren auf 50 km/h, wobei letzteres durch aus mal eine Überlegung wäre, hochmotorige Kraftfahrzeuge werden ja auch heute schon abgeregelt. Aber auch zu einem Tempolimit lässt man sich in nahezu jedem Land ein, außer in Deutschland…ich schweife ab. Ok ein Beispiel noch, nichts aber auch garnichts hindert mich daran anonym einen Papierbrief an wen auch immer zu senden, den Absender zu fälschen oder gleich ganz weg zulassen, warum gilt das dann nicht auch für digitale Medien? So nun aber wirklich Schluss damit.
Tests zu Instantmessengern schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden.
LinuxUser/LinuxMagazin testete kürzlich auch einige freie Messenger. Ärgerlich hier war aber, dass exakt der gleiche Artikel in beiden Zeitschriften abgedruckt wurde. Sorry liebe Redakteure, aber überlegt Ihr auch mal für wen Ihr was schreibt? Manche Erklärungen richten sich dermaßen an Einsteiger, dass ich dachte, ok das wäre bei EasyLinux gut aufgehoben aber nicht im Linuxmagazin. Ich hab bei sowas dann oft das Gefühl, mal wieder Geld für Altpapier ausgegeben zu haben.
Auch die Stiftung Warentest gab sich dem Thema hin. Leider fehlt dabei aber gerade ein derzeit immer populärer werdender Messenger (ich komme auf diesen noch zurück), dafür wurden dann aber solche aus meiner Sicht nebensächlichen Produkte wie Viber, Line und Kik getestet.
Lustig an dem Test ist ja schon die Überschrift „Wo niemand mitliest“ könnte man jetzt als eine sehr kritische Selbsteinschätzung des Verlags werten, aber auch bezogen auf die getesteten Messenger stimmt das eben einfach nicht. Bei so einigen Messengern in der Liste wird mitgelesen und das nicht zu knapp, sei es, weil Verschlüsselung fehlt, unzulänglich implementiert wurde oder nur wie bei Telegram pro Kanal aktiviert werden muss (und bei der Desktopversion gleich ganz fehlt) oder weil es zum Geschäftsmodell mancher Anbieter zählt Inhalte und Verbindungsdaten zu indizieren um Werbung zu generieren, was letztlich ein maschinelles mitlesen ist.
Noch lustiger an diesem Test ist aber die quantitative Aussage „30 Messenger-Apps“, was sich bei näherem Hinsehen dann als 15 Apps für Android und nochmal die fast gleichen15 Apps für iOS herausstellt. Insgesamt wirkt der Test doch sehr bemüht und unprofessionell. Mike Kuketz hat sich mit dem Test näher befasst und in seinem Blog eingeordnet.
Und auch der Schweizer Anbieter Threema äußerte sich schon zu diesem Test.
Folgende Links bieten auch eine gute Übersicht verschiedenster Messenger. Viele davon kennen ich garnicht oder hab Sie noch nie ausprobiert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_mobilen_Instant-Messengern
https://www.messenger-matrix.de/messenger-matrix.html
Mein derzeitiger Messenger der Wahl hört auf den Namen Element und verwendet das Matrix Protokoll. Toll ist der förderative Ansatz, es gibt also keinen zentralen Server, sondern jeder kann sich diesen aufsetzen. Dafür kommt die Software Synapse zum Einsatz.
Außerdem gibt es Element für sehr viele Plattformen, ob nun am Smartphone für Android und iOS oder am PC für Windows, MacOS und natürlich Linux. Aber damit nicht genug, neben diesen Plattformen bietet sich auch der browserbasierte Client an und das tolle ist, hat man erstmal eine der genannten Client-Varianten verwendet findet man sich auch in den übrigen gut zu recht.
Beim Anlegen eines Accounts kommt der Nutzer auch gleich mit dem erwähnten Browser-Client in Berührung, kann seine Einstellungen zur Verschlüsselung anpassen und erste Kontakte knüpfen.
Erste Anlaufstellen sind marix.org und element.io. Dort kannst Du Dich registrieren, also deinen Account anlegen und wie erwähnt auch gleich im Browserclient ausprobieren oder einen für deine Plattform geeigneten Client downloaden. Idealerweise bieten sich für mobile Plattformen die App-/Playstores von iOS und Android oder alternativ für letzteres natürlich auch F-Droid oder eben auch der Download eines Instalaltionspakets an.
Außer Element gibt es aber viele weitere Clients. So nutze ich sehr gerne Schildi.chat, ein Fork von Element und ebenfalls für verschiedene Plattformen oder Browser Frontend verfügbar. Gleiches gilt für FluffyChat. Hier eine Übersicht der meißten Clients, bis hin zu Versionen für das Terminal oder sogar für den Nintendo 3DS. Reicht das alles nicht oder willst Du deine gewohnte Umgebung behalten, bieten sich auch noch Bridges und Bots an, so gibt es nicht wenige Matrixuser, die den Dienst aus Ihrem Telegram-Messenger, XMMP-Client oder aus dem IRC verwenden. Zwar ist hier der Sicherheitsaspekt nicht mehr oder nur bedingt gegeben aber um an öffentlichen Räumen im Matrixuniversum teilzunehmen (oder auch die Gegenrichtung: Matrix als Gast) ist auch das ein Weg.
Anmelden kannst Du dich aber nicht nur auf den oben genannten Portalen. Vereine und Organisationen betreiben freie Server oder bieten diesen Service Ihren Mitgliedern. Hier eine kleine Liste von öffentlichen Servern.
Reicht Dir das alles nicht, kannst Du natürlich auch deinen eigenen Matrixserver aufsetzen, für Dich, Freunde, den Verein oder die Allgemeinheit. Der bekannteste Server dafür ist derzeit Synapse, aber es gibt auch andere Systeme.
Jeder Chat ist ein Raum, zwischen mindestens 2 Personen, dem jederzeit weitere User hinzugefügt werden können, es gibt öffentliche und geschlossene Räume, bei letzteren ist der Zutritt erst nach Einladung möglich und es ist neben der Admin-Rolle im Raum auch eine detaillierte Rechtezuweisung für die anderen Teilnehmer verfügbar.
Nachrichten sind auch editier- und sogar löschbar (Teilnehmer werden aber darüber informiert) und sie können in Markdown formatiert werden.
Und natürlich können Bilder und andere Anhänge versendet werden, Audio- und Videokonferenzen sind ebenso möglich, bei 2 Teilnehmern über WebRTC, bei mehr per vordefinierter oder selbst konfigurierter Jitsi Konferenz. Letzteres soll wohl in absehbarer Zeit unnötig werden, dann wird alles per nativer Videokonferenz in Matrix ermöglicht.
Mehr und mehr wird Matrix auch in Unternehmen und Behörden verwendet oder dient dort als Basis für eigene Messengerdienste. Der neue Messenger der Bundeswehr ist hierfür ein Beispiel.
Für mich hat Matrix das Potential andere Messenger komplett abzulösen, auch wenn das nicht passieren wird. Z.B. kann es aber auch eine gute Alternative zu Telegram für große Communitys werden
Andere Messenger habe ich in der Vergangenheit getestet, aber letztlich wieder deinstalliert und sei es nur, weil einfach keine Kommunikationspartner zur verfügung standen.
qTox war einige Zeit auf meinem Smartphone. Und Briar war ein interessanter Ansatz, der sogar ohne Internetverbindung genutzt werden konnte, Bluetooth oder WLAN ist hier schon ausreichend. Nachteil von Briar, er ist ausschließlich für Android verfügbar.
https://de.wikipedia.org/wiki/Briar_(Instant_Messenger)
Beide Messenger legen besonders hohen Wert auf Sicherheit und Anonymität.
Ein weiterer Messenger, den ich besonders in der öffentlichen Verwaltung kennenlernen durfte ist Wire, verfügbar für viele Plattformen, in verschiednen Versionen, kostenlos aber mit Einschränkungen, z.B. auf 5 Teilnehmer limitiert oder als Enterprise Version kostenpflichtig und schließlich für Regierungsorganisationen und öffentliche Verwaltungen in besonders geschützten Umgebungen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wire_(Messenger)
Allerdings habe ich Wire immer als zäh und hakelig empfunden.
Ein wichtige Anlaufstelle zum Thema Datenschutz und Privatsphäre in der digitalen Welt ist auch das sicher vielen schon bekannte Privacy Handbuch. Ein ausführlicher Abschnitt geht hier auch auf entsprechende Aspekte bei Messengern ein.
Fast in Vergessenheit geraten sind meine Tests mit einem oder eigentlich zwei Messengern, die eigentlich gar keine sind.
Zum einen Delta Chat und zum zweiten eine spezielle Art davon oder ein Fork oder wie auch immer:
COI – Chat over IMAP. Letztere beschreibt es shcon ganz gut, diese Messenger nutzen das IMAP- und SMTP Protokoll, erstellen GnuPG Keys per Autocrypt (leider nicht passwortgeschützt, so mein letzter Stand) um verschlüsselte Messages auszutauschen und können natürlich auch Bilder, und Sprachnachrichten senden und empfangen. Videchats funktionieren damit systembedingt nicht, allerdings können dafür Jitsi-Sessions eingebunden werden.
Deltachat wirbt selbst mit
„…Einfach mit jeder Person chatten, deren E-Mail-Adresse bekannt ist Der Chat-Partner benötigt dabei kein Delta Chat. Ein Standard-E-Mail-Konto reicht aus…“
und genau das ist eben auch der Punkt, im Grunde sind beide Messenger nichts weiter als auf Instant Messaging optimierte E-Mailclients, inklusive der üblichen Vor- und Nachteile von E-Mail, z.B. der gewährleisteten Zustellung (Spamordner) und der Verschlüsselung die beide Seiten beherschen müssen und wollen. Tja dann brauche ich aber auch nicht noch einen Messenger, dann sende ich einfach E-Mail wie bisher. Hinter COI steht OpenXchange und ob diese selber noch an eine Zukunft des Projekts COI glauben ist fraglich. Zumindest sehe ich hierfür keine Entwicklung seit langem.
Zum Schluss noch „ein neuer Stern am Messenger Himmel“. Noch in einer frühen Phase und bisher nur über Terminal bedienbar, gibts inzwischen auch Apps für Android und iOS. Die Rede ist von SimpleX Chat. Außer auf der Homepage gibt es auf einem bei mir derzeit sehr beliebten Blog einige Infos dazu:
https://gnulinux.ch/simplex-chat
https://gnulinux.ch/simplex-chat-smartphones
Naaaa? Wie wärs? Getreu dem alten Community-Motto „…und welchen messenger testen wir diese Woche?“
verbleibe ich mit gesicherten Grüßen
euer DxU